Kleine Geschichte aus dem Leben eines Schraubers

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Hägar
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Kleine Geschichte aus dem Leben eines Schraubers

Beitragvon Hägar » 17.09.2006, 18:08

Immer wieder hört man im Gespräch, oder sieht am Zustand des Motorrades, daß über Wartung zwar viel diskutiert wird, daß aber aus Fahr-Eifer oder aus Faulheit tatsächlich nur das Minimum an Wartung gemacht wird.

Über durchgeschliffene Kettenschleifer an der Schwinge und in der Folge sich einstellende Frässpuren der Kette am Schwingenlager hatten wir es schon.

Aus gegebenem Anlass gebe ich jetzt hier noch eine kleine Geschichte zum Thema Ventile Einstellen zum besten:

Kürzlich habe ich eine gebrauchte GS500E für meine Frau gekauft. (Keine Angst, es geht jetzt hier nicht um Suzuki, sondern um Ventile im allgemeinen ;) ) Der Motor lief nicht richtig rund. Da ich viel mit meiner eigenen ZZR zu tun hatte, habe ich das Thema Suzi etwas vor mir her geschoben. Gestern und heute sollte es aber passieren.

Im Vorfeld hatte ich schon gemessen und herausgefunden, daß auf dem rechten Zylinder nicht genug Kompression war. Also hatte ich eine neue Zylinder/Kolben-Garnitur besorgt. Auch ein Motordichtsatz war vorbereitet, sodaß es Samstag Mittag losgehen konnte:

Bevor der Zylinderkopf runter kam, habe ich das Ventilspiel versucht zu messen (sind ja nur vier ;) ) Überraschung: Bei keinem der vier Ventile konnte ich die dünnste meiner Fühlerlehren (0,04mm) zwischenschieben! :o Das Ventilspiel, wenn es denn überhaupt vorhanden ist, war nicht meßbar. Der oder die Vorbesitzer hatten also wohl seit einer halben Ewigkeit kein Ventilspiel mehr eingestellt!

Dann weiter: Zylinderkopf runter, Zylinder abgezogen, alte Kolben raus, neue Teile bereitgelegt. Aber vorher nochmal die alten Teile geprüft, um die Ursache für die fehlende Kompression zu verifizieren. Benzin hinein in die Ansaugstutzen des Kopfes, später auch in die Auslass-Kanäle. Und siehe da: Beim rechten Zylinder trielte das Benzin durch Einlaß- und Auslaßventil hindurch richtung Brennraum. Fazit: Beide Ventile sind undicht!!!

Also Ventile ausgebaut und geprüft. Befund: Beide Ventilsitze im Kopf, aber auch die Dichtflächen am Ventilteller waren verbrannt!!! Die Ventilsitze habe ich schon nachgeschliffen. Die Ventile selbst sind Schrott. Eindeutige Ursache: Durch hartnäckiges Ignorieren des Ventilspiels ist dieses im Laufe der Zeit so klein geworden, daß die Ventile nicht mehr richtig schließen konnten. Ständig pfeiffen dann die heißen Abgase dadurch und machen alles kaputt.


Die Baustelle konnte ich heute also nicht mehr fertigstellen, da mir zwei Ventile sowie die Shims zum Einstellen fehlen. Immerhin ist schon alles soweit wieder zusammengebaut: Neue Kolben und Zylinder sind montiert, Vergaser gereinigt.

Aber die Lehre aus dieser Geschichte ist: Nehmt Wartung (anders als der Vobesitzer der hier in Rede stehenden Suzi) ernst! Wie ihr oben leicht erkennen könnt, sind Folgeaufwand und -Kosten sonst unverhältnismäßig hoch!!!
Zuletzt geändert von Hägar am 19.09.2006, 09:48, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Kleine Geschichte aus dem Leben eines Schraubers

Beitragvon flobli » 17.09.2006, 22:40

... Durch hartnäckiges Ignorieren des Ventilspiels ist dieses im Laufe der Zeit so klein geworden, daß die Ventile nicht mehr richtig schließen konnten. Ständig pfeiffen dann die heißen Abgase dadurch und machen alles kaputt. ...

...und vor allem deswegen verbrannt, weil die wärme vom ventil nicht auf den kopf im geschlossenen zustand übergehen konnte und das ventil nicht genügend gekühlt wurde! vor allem bei auslassventilen todesursache nummer eins. einlass bekommt durch kraftstoff-/luftgemische noch etwas "abkühlung".

interessante, aber nicht untypsiche geschichte. und jetzt haste den kolbensatz um sonst gekauft, oder wie seh ich das?! waren die kolbenringe denn noch dicht? oder hat der kolben sogar "geklappert"? aber der kopf musste ja eh runter...


grüße
flo
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Beitragvon Zauberer » 18.09.2006, 07:29

Eine nette Geschichte, die das Leben schrieb. Wieviel km hat die GS denn schon runter.

Und Hägar, wenn sich jeder so intensiv um die Wartung kümmern würde, gingen die Motoren doch nie kaputt. Denk doch auch mal an die Wirtschaft :D
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Re: Kleine Geschichte aus dem Leben eines Schraubers

Beitragvon Hägar » 18.09.2006, 09:34

...und vor allem deswegen verbrannt, weil die wärme vom ventil nicht auf den kopf im geschlossenen zustand übergehen konnte und das ventil nicht genügend gekühlt wurde! vor allem bei auslassventilen todesursache nummer eins. einlass bekommt durch kraftstoff-/luftgemische noch etwas "abkühlung".
Flo, das ist sehr treffend beschrieben. 8)

und jetzt haste den kolbensatz um sonst gekauft?
Nein, auch die Laufgarnitur war defekt. Deutliche Riefen in der Zylinderwand, einhergehend mit Ölverbrauch, der wohl nicht auf die Ventile zurückzuführen war. Zumindest dieser Teil dürfte jetzt erledigt sein.

Wieviel km hat die GS denn schon runter.
Habs gerade auswendig nicht exakt parat. Aber nach Tacho dürften es so um die 40Tkm sein.

Das ist aber mit Sicherheit gelogen. Denn bei dieser Gelegenheit habe ich auch die Nockenwellen ausgemessen. Die sehen zwar sauber aus, haben keine Einlaufspuren. Die Höhe sämtlicher Nocken ist aber schon auf Untermaß. Und das tritt wohl erst nach sehr sehr viel mehr Kilometern auf.

Und Hägar, wenn sich jeder so intensiv um die Wartung kümmern würde, gingen die Motoren doch nie kaputt. Denk doch auch mal an die Wirtschaft
:D An mir verdient die Wirtschaft auch nicht viel. In der Kawa-Werke holen sie schon immer tief Luft, wenn ich zur Tür hereinkomme. "Da ist wieder dieser Typ, der nur für ein paar Euro Teile ordern will" ;) ...
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Beitragvon Ryu » 18.09.2006, 12:59

Tja... es ist doch immer do, wenn man durch Faulheit, oder einfach geistiger Abwesenheit *spart*
Dann hat man danach deutliche Folgekosten...

Ich merke das auch grade SEHR schmerzlich...
Hatte mal einen *günstigen* Rucksack gekauft, immer damit Motorrad gefahren und vorgestern auf der Autobahn auf dem Weg zurück von Caspar ging er kaputt...
Hab nen paar Sachen nicht wiedergefunden und nen paar gingen kaputt, reiner Wert, was ich neu (gebraucht) kaufen muss wird wohl so bei 250-300Euro liegen... tja, weil ich ein mal beim Rucksack vielleicht 20 Euro sparte und immer meinte, der wird schon halten...

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Beitragvon mib » 18.09.2006, 13:40

Ich zolle allen Schraubern die sich wirkliche Mühe mit ihren Maschinen geben großen Respekt und komme aus dem Staunen kaum noch raus, wenn ich die vielen klasse Beiträge hier im Forum lese. =D>

Da mir leider das technische Verständnis fehlt und das ganze Werkzeug auch, vertraue ich in solchen Dingen meinem Schrauber. Gut, Kette spannen, Kerzen wechseln und so´n Kleinkram kriege ich auch hin, aber Nockenwellen, Ventile, Kompression etc. gebe ich lieber in fachlich versierte Hände als in meine beiden linken... ;)
Kostet dadurch sicherlich ein paar Euro mehr, aber ich hoffe das sich das gegenüber "nichtstun" wieder rechnet.

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Beitragvon Hägar » 29.09.2006, 10:30

:D :D :D Ich bin happy! :D :D :D

Seit vergangenen Samstag Abend läuft die Suzi wieder.

- "neuer" gebrauchte Kolben/Zylindergarnitur mit behaupteten 19Tkm Laufleistung,
- "neuer" gebrauchter, auf Dichtigkeit geprüfter Zylinderkopf,
- "neue" gebrauchte Nockenwellen mit höherem Nockenhub,

alles über Ebay besorgt, sind nun eingebaut. Fast alle Dichtungen einschließlich der Ventilschaftdichtungen sind gewechselt. Seit dem steht meine ZZR. Bin derzeit jeden Morgen und Abend mit der Suzi zum/vom Büro unterwegs, um alles auszutesten. Habe jetzt etwa 400km runter. Kein meßbarer Ölverbrauch soweit. Lediglich am Steuerkettenspanner ölts ein wenig, weil ich dafür noch keine passende Dichtung habe. Ist aber ein lösbares Problem.

Das Ding springt jetzt auf den ersten Schlag an. Der Choke ist - anders als bei der ZZR - völlig harmlos zu dosieren. Wenn der Motor warm ist, kann ich die Drehzahl auf ein Niveau runterdrehen, daß man die einzelnen Zündungen mitzählen kann. Und dennoch läuft der Motor ohne sich zu verschlucken, und dreht ohne Mucken aus dem untersten Drehzahlkeller hoch.

150,-€ Teile und zwei Samstage schrauben haben sich diesmal ohne Einschränkung gelohnt... 8) 8) 8)
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Beitragvon Zauberer » 29.09.2006, 10:33

Happy end!
Hoffentlich bleibt es so.

Aber nicht das du dich noch zu sehr in die GS verliebst. :lol:
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Beitragvon Hägar » 29.09.2006, 10:36

Hmh, interessante Überlegung: Ein Motorrad-Harem. Die ZZR als üppige Erstfrau. Die GS als kleine schlanke Zweitfrau oder Geliebte für passende Gelegenheiten... :lol: :lol: :lol: Hoffentlich liest das meine ZZR nicht. Kann ich mich auf Eure Diskretion verlassen? ;) :lol:
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Beitragvon ZX » 29.09.2006, 10:38

Da lässt sich drüber reden Hägar ;) :D

Schön das alles so geklappt hat, Gratulation
Fahr nie schneller als Dein Schutzengel fliegen kann ;)

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Beitragvon Kasi » 29.09.2006, 11:12

Bei dir als schrauber habe ich gar nix anderes erwartet wie eine erfolgsmeldung :D ;)
Würdest du die nocke als tuning oder optimierung einstufen....wenn letzteres der fall ist hast du in der regel auch ein ruhigeres laufverhalten im gegensatz zur tuningabteilung wo das leerlaufverhalten eher schlechter wird und die leistung in ein höheres und schmaleres leistungsband verschoben wird ;)

Edit
Hier du oller flugzeugkonstrukteur :D .....siehste mal was deine berufskollegen so machen

http://www.ride-free.de/include.php?pat ... 2c8f780e94

Sehr heftig...vorallem die techn.eckdaten sind der hit ;)
Auch unten auf der seite den link mal anklicken..staun staun :D
Endlich was zum toben

Nix mehr Buell dafür wieder D-Modell 6800Km

Wenn Gott gewollt hätte das mein Moped sauber sein soll würde er Spüli in den Regen geben!

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Beitragvon Hägar » 29.09.2006, 15:05

Tuning oder Optimierung? Nach Deiner Definition würde ich eher Optimierung sagen. Beide Nockenwellen waren nahe der Verschleißgrenze. Bei der Einlaßnockenwelle sah es eine Zeit lang sogar so aus, daß da ein halber Millimeter gegenüber den Handbuchwerten fehlte.

Später habe ich dann herausgefunden, daß in den frühen GS-Modellen die Nockenhöhe ein halber Millimeter größer ist als bei späteren Modellen. Da ein halber Millimeter durch Verschleiß kaum zu erklären war, kam ich zu dem Schluß, daß da die falschen, kleineren Nockenwellen verbaut waren. Jetzt habe ich die originalen Nockenwellen mit dem größeren Maß, die darüber hinaus auch noch reichlich Toleranzabstand zum Handbuchmaß haben.

Das Handbuch sagt in Übereinstimmung zu Deinen (Kasi) Bemerkungen, daß bei Unterschreitung des Mindestmaßes Laufprobleme auftauchen können. Mit diesem Problem bin ich jetzt nicht mehr konfrontiert.

8) Die Gunbus-Seite ist ja echt der Knaller. 8) Diese Art Motorrad ist zwar nicht unbedingt das, wovon ich nachts träume. Aber sich das mal anzuschauen hat schon was. Irre!
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