Hi,
Karstenb hat geschrieben:
Hier oben legt der TÜV eine Akte an mit Rahmennummer. Dann ist immer alles nachvollziehbar für Jeden.
Schön, garantiert aber gar nichts! Es ist in das Belieben des prüfenden Sachverständigen gestellt, ob er eine bauliche Veränderung eines KFZ abnimmt oder nicht. Im extrem kann er durchaus sagen, dass ihn das Geschwätz seiner Kollegen egal sei. Es haben sich lediglich Konventionen eingebürgert, an die sich die Meisten halten. Da meine ZZR nahezu original ist, spielt es hier für mich keine Rolle. Für meine Gespanne ist das anders, grundsätzlich anders. Praktisch nichts ist da mehr original, die Eintragungen umfassen zwei Seiten Anhang im Schein. In der Gespannszene werden Namen und Tüvstellen verbreitet, wo man einen Prüfer findet, der unter welchen Bedingungen was einträgt. Je nachdem, was man will, fährt man da hin, spricht mit dem bestimmten Prüfer durch, was gemacht werden wird und vereinbart mit genau diesem einen Termin, wenn man fertig ist. Je komplexer der Umbau, desto weniger werden andere Prüfer sich damit beschäftigen wollen, Dokumentation hin oder her.
Sowas geht soweit, dass es möglich ist, trotz technischer Fehlerlosigkeit, ein Prüfer keine Plakette erteilt, weil er die spezifischen Eigenheiten eines Gespannes nicht kennt. Selbst so erlebt: Termin zur HU bei einem Hamburger Prüforganisation bei einem erfahrenen Gespannfahrer. Der war dann zum Termin nicht pünktlich und ein Anderer prüfte die Maschine durch. Alles soweit in Ordnung - bis zur Probefahrt! Jedes Gespann zieht mehr oder weniger stark auf die Seite, an der der Beiwagen montiert ist. Das ist so und nicht zu ändern, ohne sich extreme Nachteile bei anderen Geschwindigkeiten ein zu handeln. Der Prüfer fährt, um auf Geschwindigkeit zu kommen mit ziemlich viel Drehzahl an. Dabei kommt bei meinem Gespann die Zugmaschine sehr weit aus der Vorderradfederung. (Für Leute mit Ahnung: Telegabel) Ein wenig mehr, und ein Wheelie wäre fällig gewesen. Gleichszeitig hält der Beiwagen natürlich die Zugmaschine auf und dreht das Gespann leicht nach rechts. Beides zusammen, also das Entlasten der Maschinenvorbaus, und das leicht verzögerte Drehen nach Rechts, führt zu einer Schlangenlinie. Ist eben so, weiss jeder Gespannfahrer und gleicht das natürlich permanent aus.
Nicht so der Prüfer, der erschreckt die Vorderradbremse reinhaut und dabei dann genau das Gegenteil erlebt! Jetzt hält die Zugmaschine und der ungebremste Beiwagen zieht das Gespann nach links. Der Prüfer steigt leicht blass ab und attestiert meinem Gespann Verkehrsunsicherheit. So toll! Das die Zulassungplakette abgekratzt wird, will ich natürlich nicht, also fange ich an zu diskutieren. Erstmal sage ich ihm, das nichts, was er eben erlebt hat, für ein Gespann ungewöhnlich sei, sondern, wenn er einfach ein wenig gegen gelenkt hätte, das Gespann einfach gerade aus gefahren wäre. Trotzdem glaubt er mir nicht. Es stellt sich raus, dass das seine erste Gespannfahrt überhaupt gewesen war! Er besteht darauf, dass Fahrzeug Fahrzeug sei. Es gäbe ja Unterschiede bei den Fahrzeugtypen, aber so ein Verhalten könne nicht normal sein. Ich verkneife mir, da ich noch glaube, ihn überzeugen zu können, den Hinweis auf den Physikuntericht der 7. Klasse, Mechanik.
Manchmal habe ich Glück, denn der ursprünglich von mir gewünschte Prüfer kommt in die Halle. Er entschuldigt sich bei mir für seine Verspätung und fragt seinen Kollegen, ob und was er schon geprüft hat. Wortreich und mit allen vier Extremitäten schildert der erste Prüfer das vermeintlich gefährliche Fahrverhalten des Gespannes. "Mein" Prüfer hört sich das alles an und sagt zu seinem Kollegen: "Guck zu!", geht zum Gespann, lässt es an, legt den ersten Gang ein und fährt nur im Leerlauf an. Er lässt den Lenker los und das Gespann macht, was Gespanne dann machen: Es fährt im Kreis. Dann fährt er die Hohe Schule des Gespannfahrens: Beiwagenrad hoch, - Hinterrad hoch und Beiwagen bremsen, - Killerwende nach rechts und links. Als er so ziemlich alles durch hat, was man bei geringer Geschwindigkeit mit dem Gespann machen kann, beschleunigt er und lässt bei ungefähr 60 den Lenker los. Das Gespann zieht weder nach rechts noch nach links, so, wie es sein soll. Alles Gut.
Im Ergebnis überlässt der erste Prüfer dem Zweiten die Abnahme. Überzeugt ist der allerdings nicht davon, dass Gespanne verkehrsicher sein können. Ich bekomme meine Plakette, wenn mein Prüfer auch findet, dass ihm die Fahrwerkseinstellung nicht gefallen würde. Aber da seien die Geschmäcker eben verschieden.
Und die Moral? Wenn man eintragungspflichtige Änderungen vornehmen will, sucht man sich einen Prüfer, der sowas grundsätzlich abnimmt und bespricht alles mit ihm, bevor man anfängt. Ggf. sind, während die Arbeiten fortschreiten, weitere Temine nötig. Den extremsten Fall, den ich kenne, ist eine aus Flugzeugalu selbst gefertigte Vorderradschwinge. Von der ersten Besprechung der Projektes folgten Termine zur Vorstellung der CAD Zeichungen, der Abnahme des vorgesehenen Materials, Belastungsberechnungen, Berechnungen für die Fahrwerksgeometrie, Abnahmen der gefertigten Einzelteile, der Schwinge zum fertigen Zustand und zum Schluß Abnahme des Einbaus und Fahrversuch. Dauer: Fast ein Jahr. Derselbe Prüfer würde allerdings niemals eine Anhängerkupplung an einem Gespann abnehmen. Dafür muß man einen anderen suchen.
Das alles klingt jetzt ziemlich willkürlich und ist es auch. Grundlage jeder Veränderung ist die Strassenverkehrszulassungsordnung. Und die legt ja nicht fest, wie eine ZZR auszusehen hat, sondern, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit sie zulassungfähig ist. Und da gibt es eben Spielräume. Wenn ein Sachverständiger sagt, nach seinem Ermessen geht das so, dann haftet er aber auch dafür, dass das so geht. Ein Prüfer weiss eben, wie eine Gabel aussehen muß, ein anderer, was beim Reifen geht. Und dann gibt es vielen, die gar nichts abnehmen, weil ihnen das Risiko zu hoch ist. Manchmal ist es nötig, auszuloten, was bei einem Prüfer noch geht. Passt das eigene Projekt nicht in das Profil des Prüfer, muß man eben das Projekt anpassen oder sich einen anderen Prüfer suchen. Wie heisst es doch: Durch Reden kommt ein Gespräch zustande.
So long
oxtorner