Anleitung: Austausch Gabelfedern / Gabelöl

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Zauberer
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Anleitung: Austausch Gabelfedern / Gabelöl

Beitragvon Zauberer » 14.04.2007, 19:20

Hier wird der Austausch der Gabelfedern eines E Models mit einstellbaren Federn beschrieben.

- Dieses Tutorium wurde 2015 überarbeitet und mit neuen Bildern versehen. Im Gegensatz zum ersten Gabelölwechsel, habe ich jetzt die Gabel komplett ausgebaut. Unterschiede dazu werde ich grün markieren, bzw ergeben sich aus den Bildern.
Austauschteil
die alten Federn
feder original.jpg
Feder original


Bestellnummer: 600-019-02
SAE: 10 Luftkammer: 140
WILBERS Gabelfedersatz RSU
Kawasaki ZZR 600 (ZX 600 E) 95>

Zielgruppe
Jeder Motorradfahrer, der ein wenig Geschick mitbringt und über passendes Werkzeug und den Platz verfügt.

Aufwand
ca. 2 Stunden

Voraussetzung
Guter Werkzeugkasten / Knarrenkasten
8er Inbus / Sechskantschlüssel
6er Inbus Lang
12er Inbus 1/2 zoll
12er Nuss
14er Nuss oder Ringschlüssel
24er Ringschlüssel oder lange Nuss
Drehmomentschlüssel (kein muß)
Messbecher
Schlauch zum Absaugen (ev. Spritze)

Aufbocken
Wir suchen uns einen stabilen Untergrund und Platz aus, wo wir das Motorrad mittels Montage- oder Hauptständer aufbocken können. Das Vorderrad muss frei in die Luft kommen. Ich habe für diese Arbeit den alten Hauptständer wieder montiert.
sicherer Stand.jpg

Darunter noch ein Brett um die Heckhöherlegung auszugleichen.

Arbeitsschritte
1) Öl aus den Gabelholmen ablassen.
- Vorderrad entlasten, indem das Motorrad unter dem Krümmer angehoben wird. Ich habe dazu den Bugspoiler entfernt, was aber nicht notwendig wäre.
- Bremssattel rechts/links muss nicht demontiert werden
- Achse entfernen
- Dazu die beiden Klemmschrauben (6er Imbus Nuss) auf der in Fahrtrichtung rechten Seite entfernen. Wichtig ist, nur eine Seite zu lösen, damit man mit dem Inbus auf der anderen Seite nicht kontern muss. Inbus auf der linken Seite nur zur Kontrolle gegen das durchdrehen und zum vollständigen lösen der Achse einsetzen.
Achtung: Tachoschnecke darf sich nicht mitdrehen. Zerstörungsgefahr.
Achsmutter lockern und die beiden rechten Klemmschrauben lösen und entfernen. Rad leicht anheben und die Achse entfernen.
vorderrad achse.jpg
Klemmung links los

- Von unten kommt man nun an die Ablassschrauben in den Holmen. Diese mit einem langen 6er Inbus lösen ! Dabei den Holm mit der freien Hand festhalten!
Auf die 8mm Kupferdichtungen achten, kontrollieren und ggf. erneuern.
Gabelholme nach unten raus ziehen, nachdem die 3 Klemmungen gelöst sind. 1x oben an der oberen Gabelbrücke und je 2x an der unteren Gabelbrücke.
- Altes Gabelöl auslaufen lassen - natürlich auf beiden Seiten.
Ev. etwas neues Gabelöl nachfüllen zum Spülen und über Nacht stehen lassen, damit das alte Öl komplett auslaufen kann.
oel raus.jpg


-Lenkerstummel entfernen und zur Seite legen.
Achtung: Es könnte Bremsflüssigkeit auslaufen und den Lack angreifen.
Lenker müssen nicht entfernt werden, wenn die Holme komplett ausgebaut werden.

-Vorspannung ganz zurück drehen mit einer 14er Nuss. Es müssen 8 Ringe sichtbar werden. (es geht auch ohne, halt nur mit etwas mehr Spannung auf den Deckel)

- Mit einem 24er Ringschlüssel (oder langer Nuss) die Verschlusskappen entfernen.
Achtung: Vorderrad muss frei in der Luft hängen. Die Kappen stehen unter Spannung und müssen mit Gegendruck entfernt werden. Das empfindliche Alugewinde ist zu schützen.
Die Dichtringe kontrollieren und ggf. ersetzen.
Gabel öffnen.jpg

Bei Gabeln ohne oberen Einsteller ( vor Bj. 95 ) den oberen Verschlusstopfen niederdrücken und den Sicherrungsring entfernen! Langsam hoch kommen lassen!

-Distanzhülse, Distanzscheibe und Gabelfedern entfernen.

-Danach Gabel 5-7x ganz hoch und runter bewegen, damit auch die Reste des Öls auslaufen.

-Gabelholme auf Sauberkeit überprüfen und ggf. reinigen.

-Ablassschrauben wieder eindrehen.

-Gabeln zum Einfüllen komplett einfedern

-Gabelöl (je nach Model und verwendete Feder. Ich habe 10er einfüllen.

oel.jpg
Öl
Hier gibt es die Unterschiede zu Originalfedern oder Zubehörfedern.
Originalfedern bekommen pro Seite 485ml Gabelöl. Ich habe 450ml eingefüllt.
oel einfüllen.jpg
Öl einfüllen

Durch die Füllmengen ergibt sich ein Abstand zum oberen Rand, das sogenannte Luftpolster. Wenn später wieder die Kappen drauf sind, liegt dieses Luftpolster zwischen dem Öl und der Kappe.

-Tauchrohre mehrmals hoch und runter bewegen, damit die Luft entweichen kann. Ca 5 min warten, bis sich das Öl gesetzt hat.

-Luftpolster kontrollieren. Wie groß das Polster sein muss ist wieder unterschiedlich. Originalfedern 100 mm von der Oberkante.
Ich musste, lt. Angaben Wilbers, 140 mm Luftpolster lassen. Das Luftpolster wird mit Hilfe eines Zollstockes kontrolliert. Zollstock 200 mm eintauchen und die Differenz zur feuchten Markierung ermitteln. Beispiel:
Zollstock taucht 200mm ein, rausziehen. Bei 60mm ist der Stock voll Öl. Das beduetet, das Luftpolster ist 140mm
20cm.jpg
Differenzmessung 20 cm

Messen des Ölpegels bei vollständig eingetauchter Gabel, ohne Feder.
Achtung:
Beide Seiten müssen unbedingt gleich sein. Andernfalls Öl nachfüllen oder absaugen.

Alternativ kann auch mit einer Spritze und einem Schlauch (der genau die Länge des Luftpolsters hat) das überflüssige Öl abgesaugt werden. Dadurch wird genau das gewünschte Luftpolster eingestellt.
spritze.jpg
Spritze


- Alt und neue Federn nebeneinander zu sehen.
vergleich.jpg
Alt und Neu nebeneinander

-Federn einsetzen. Der progessive Teil, da wo die Windungen enger sind, kommt nach oben.
feder rein.jpg
Feder einsetzen


-Distanzhülse, Distanzscheibe wieder einsetzen.

-Dämpfungsachse einführen und in die passende Stellung drehen, damit sie ganz eingeführt werden kann. Kappe wieder aufsetzen und mit Druck aufschrauben.

-Dämpfung auf beiden Seiten gleich einstellen. 14er Nuss. Es sollten 4-5 Ringe sichtbar sein. Variiert je nach Fahrergewicht !

-Vorderrad wieder einbauen

Achtung:
Vorderbremse mehrmals betätigen, bis die Bremsen wieder anliegen. Ansonsten kann es zu Überraschungen bei der ersten Bremsung kommen.

- Motorrad Unterbockung entfernen, damit das Vorderrad voll in die Gabel gleitet.

-Lenkerstummel dran
Verkleidung wieder anbauen

Und fertig sind wir. Noch ein bisschen aufräumen und überlegen, wo und wie wir die alte Brühe entsorgen können.

Anmerkung:
Ein Dank an Horst, der die Basis für diese Beschreibung lieferte.

Von oxtorner das wissenswerte zum Gabelöl.
oxtorner hat geschrieben:einige Worte zur Gabel bei der ZZR: Das Öl selbst dient in der Gabel ausschliesslich zur Dämpfung. Die Ölmenge allerdings ist Bestandteil der Federung.

Das Öl fliesst beim Federn durch Bohrungen in der Dämpferstange und setzt der Federung Widerstand entgegen. Und zwar über den ganzen Federweg gleichmäßg stark. Wie stark diese Dämpfung ist, hängt von der Viskosität ab. Die meist (WHB, Haynes, Bucheli) vorgeschlagene Viskosität von 10 ist, wie sollte es auch anders sein, ein Kompromis! Und funktioniert nur so ungefähr. Gerade eben ist die Aussentemperatur von ca. 35°C auf 24° C gefallen und bei engagierter Fahrweise auf schlechter Fahrbahn ist die Dämpfung praktisch nicht vorhanden. 10W ist also zu dünnflüssig. Jedenfalls bei mir, 12,5 oder 15 wären jetzt eher angebracht. Wer wechselt schon das Gabelöl entsprechend der Aussentemperatur? Im Winter allerdings, so ab etwa 0° C muß man wechseln! Dann ist Viskosität 10 so zähflüssig, dass die Dämpfung so stark ist, dass keine Federung mehr vorhanden ist. Es dauert, bis das Öl wärmer wird und sowohl Federung wie Dämpfung einigermassen funktionieren. Genauso für die schnelle Runde auf der Hausstrecke! Wenn die Federung gefordert ist, wird das Dämpferöl heiss und die Viskosität sinkt, das Öl wird also dünnflüssiger.

Man kann durchaus mit der Ölviskosität experimentieren. Öle der gleichen Herstellers lassen sich mischen, die gleiche Menge 10 und 20 gibt 15. Viskositäten gibt es von O bis 30, aber Vorsicht: Oft wird von SAE X geschrieben und so steht es auch oft auf den Öldosen. Das ist falsch! SAE Öle sind Motor- und Getriebeöle und ich bin immer skeptisch, wenn schon auf der Dose etwas offensichtlich falsches steht. Die Viskosität von Gabelölen wird in Centistroke gemessen und 10C ist etwa anderes als SAE10. Es ist allerdings relativ egal, was für eine Art Öl man nimmt, man könnte Motoröl verwenden. Wenn es aber irgend geht, dann sollte es Gabelöl sein, denn hier fehlen die Additive, die Motoröl eben zu Motoröl machen.

Die Ölmenge im Holm ist für die Dämpfung unwichtig, solange die unteren Bohrungen der Dämpferstange voll ausgefedert noch im Öl steht. Tatsächlich ist erheblich mehr Öl im Holm als für die Dämpfung nötig ist. Mit der größeren Ölmenge wird die Federung beeinflußt. Beim Einfedern wird die Luft im oberen Holm komprimiert. Die Gaskompression ist stark progressiv. Dabei wird bei einer linearen Federrate eine progressive Komponente hinzugefügt. Mit der vorhandenen Luftmenge kann man also die Federrate beeinflussen, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, nämlich bis ca. 10%. Vergrössert man die Luftmenge, füllt also weniger Öl ein, nimmt die Federrate ab, die Federung wird weicher. Umgekehrt wird die Federung härter. Halbe Hemden wie ich können mit dem Luftraum über dem Öl manchmal den Tausch der Federn sparen. Kommt eben darauf an, wieviel weicher die Federung sein soll.

Die Ölmenge, die in den Werkstattbüchern steht, ist nur ein Anhaltspunkt. Entscheidend ist das Abmessen des Abstandes zwischen Öloberfläche und Oberkante Gabelholm! Und man misst das ohne Feder. Wenn man nicht die Gabel komplett demontiert und gereinigt hat, passt meist sehr viel weniger Öl in einen Holm als erwartet. Deshalb erstmal zwei Drittel der möglichen Ölmenge einfüllen und messen. Und sich dann dem gewünschten Ölstand annähern. Hat man zuviel eingefüllt, beschafft man sich eine Einwegspritze aus der Apotheke und Aquariumschlauch vom Baumarkt. Damit kann man das zuviel eingefüllte Öl leicht absaugen. Der Ölstand in beiden Holmen muß unbedingt auf den Milimeter gleich sein, sonst ist die Federrate ungleich und die Gabel verkantet beim Fahren. Dann funktioniert das System Federung/Dämpfung des Systems Vorderradgabel ungenau und der Verschleiss erhöht sich. Axo: Beim Befüllen des Holmes hält man den Holm senkrecht, sonst ist der Meßwert für die Luftmenge falsch.

Hth
oxtorner
der Zauberer
ZZR 600E - immer ein bisschen untermotorisiert
E-Model Bj.96 74.000km
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