WP_2015 hat geschrieben:Jetzt habe ich da doch nochmal zwei fragen
1) aktuell habe ich 10W40 Vollsynthetisches Öl, kann ich das bedenkenlos wechseln auf Teilsynthetik
Mal ein paar Anmerkungen grundsätzlich zu Motorölen und Motorradmotoren:
Motorradmotoren, wie sie in der ZZR verbaut sind, unterscheiden sich erheblich von Automotoren, Rasenmähermotoren, Außenbordern und Motorradmotoren vom Typ Harley. Motorradmotoren wie der der ZZR haben nämlich drei eingebaute Mölekülhäckselmaschinen, die in sehr kurzer Zeit die langen Molekülketten eines Motorenöls zerlegen. Und das hat, wie sollte es auch anders sein, Konsequenzen.
Abweichend von den Vorstellungen sehr vieler motorisiert Fahrender, ist Motoröl durchgängig genormt. Und zwar gleich nach mehreren Normen. Diese Normungen bestehen seit langer Zeit und wurden seither immer wieder ergänzt. Urheber ist, wie sollte es auch anders sein, vorwiegend das Mitlitär.
(Anmerkung für strenge Pazifisten: Ja, es gibt nicht genormte, nicht militärisch bestimmte Öle, die auch in der ZZR funktionieren würden. Rhizinusöl zum Beispiel. Man darf sich dann nur nicht an eher kurzen Wechselintervallen stören. (Anmerkung für Ökos: Ja, Rhizinusöl ist sowohl vollbiologisch-dynamisch erhältlich und Nein, das Verbrennen von Erdölderivaten nur zum Spaß in Motorrädern ist nichts für euch und böse, böse, böse!))
So, in meiner Bedienungsanleitung wird folgendes Öl vorgeschrieben: Api SE, SF oder SG, Api SH oder SJ mit JASO MA, SAE 10W40. Das war es, anderes Öl braucht die ZZR nicht. Alles klar? Wahrscheinlich nicht, was auch nicht wirklich verwunderlich ist. Fangen wir hinten an: SAE 10W40 hat nichts, aber auch gar nichts mit der Ölqualität zu tun, sondern ist eine Viskositätsanforderung. Viskosität kann man sich so vorstellen: Wie flüssig ist etwa, hier Motoröl. Die Zahlen sind übrigen willkürlich und gelten nur für den Vergleich von Motorölen untereinander. SAE steht für Society of Automotive Engineers, die 10 gibt die Viskosität im kalten Zustand oder Grenzpumptemperatur bei -30° an. Im Grunde heisst das nix anderes als: Wer unter -30° noch fahren will, muß das Öl wechseln. Ein Öl der Viskosität SAE 10W40 verhält sich wie ein Öl mit SAE10 im kalten Zustand. Öle haben aber eine unangenehme Eigenschaft: Je wärmer desto dünner! Also wird das SAE 10 immer dünnflüssiger, je wärmer es wird. Also braucht man im Sommer, wenn es meist sowieso wärmer ist, ein dickeres Öl wie SAE 40. Wurde früher auch so gemacht. Sommeröl und Winteröl. In den Sechziger kam die Ölindustrie dann auf den Trichter, Polyester in das Öl zu mischen. Die langen Polyestermoleküle verhindern, dass das Öl mit der Grundviskosität von SAE10 bei Wärme, genau genommen bei 100° C, immer dünnflüssiger wird.
Was man noch im Kopf behalten muß, ist, dass die Viskositätsklassen nur für das neue Motoröl gelten! Im Motorradmotor nimmt die obere Viskositätsgrenze sehr, sehr schnell ab.
API-Klassen sind jetzt wirklich Qualitätsbeschreibungen. API = Kennzeichnung und Klassifikationen von Motorenölen gelten für amerikanische Motoren unter amerikanischen Fahrbedingungen. (Importfahrzeuge aus USA, Japan, Korea). Deutsche Fahrbedingungen unterscheiden sich erheblich von amerikanische, trotzdem verlangt Kawasaki kein Öl nach europäischer Normung. Das S in der Spezifikation steht für Ottomotoren (Spark Plugged Engines). Das E steht für "Motorenöl für sehr hohe Anforderungen" und gilt seit 1979(!) nicht mehr. (F wie E nur verbesserter Verschleißschutz und Schlammtragevermögen, out sei 1987; G wie F plus Schutz vor Schwarzschlamm, ausgelaufen 1993). Die Klassen H und J sind für höchste Motorenleistung, bessere Hochtemperaturscherstabilität und besseren Verdampfungsschutz. Bis heute gültig ist J.
Jaso ist die Japanese Automotive Standard Organisation und das Kürzel MA bezeichnet Motorenöle, die für Olbadkupplungen geeignet sind. Also API SJ darf nur in den Motor, wenn da auch JASO MA dransteht!
Wem jetzt bei den Ölqualitäten synthetisches Öl fehlt, der hat recht. Das ist nämlich, jedenfalls was Motorenöle angeht, genau kein Qualitätsmerkmal, sondern ein Werbeversprechen. Kauft man sein Öl beim Mineralölhändler, - das ist nicht der mit dem Heizöl, sondern ein Fachhandel für Öle, erfährt über das Öl noch einiges mehr. Motorenöle bestehen immer aus einem Basisöl. Dieses Basisöl erfüllt zum Beispiel die Viskositätsklasse 10 und wird mit einem halben hundert Additiven zu 10W40 Api SJ Jaso MA. Die Additive sind sowieso synthetisch, jedenfalls die meisten. Vor über 100 Jahren passierte der Mineralölindustrie, die schon damals für ihre Selbstlosigkeit bekannt war, etwas, was sie einfach nicht verdient hatte: Bei der Destilation von Erdöl blieben immer mehr Sachen übrig, die nicht zu verkaufen waren. Abbrennen bringt kein Geld und in die Landschaft kippen fällt den Leuten irgendwann unangenehm auf. Was also damit machen? In kleine Moleküle zerhacken und neu zusammensetzen, dann kann man das Endprodukt ziemlich genau festlegen. Gedacht, gemacht. Schon konnte man viel mehr Benzin oder Heizöl aus dem Erdöl machen, je nachdem was gerade gefragt war. In Deutschland gab es im 2. Weltkrieg sehr wenig Rohöl und die Chemiker entwickelten Methoden, wie aus anderen Bestandteilen wie Kohle oder Gas Benzin, Motorenöl oder Diesel erzeugt werden konnte. In den Fünzigern kamen dann Anforderungen an Motorenöle für Gasturbinen, die bessere Synthesmöglichkeiten verlangten. Dies ermöglichte den Mineralölfirmen immer spezifischere, - eigentlich reinere, synthetische Öle herzustellen. Turbomotoren in Rennwagen hatten es gerne, wenn das Öl nicht so schnell durch die extrem hohe Temperatur des Turbos verbrannte und hinderliche Ölkrusten bildete. Wenn man ein Basisöl hat, was nur aus einer Sorte Molekülen besteht, weiss man auch, was daraus entsteht, wenn man es an einer rotglühenden Schmierstelle verkokt und kann passende Additive zumischen, die die Koksreste wegspülen. Das haben die Marketingabteilungen irgendwann bemerkt und haben den Kunden eingeredet: Synthetisch = toll, mineralisch = nicht toll. Und für die Unentschiedenen teilsynthetisch = so ein bischen toll. Marketinggewäsch, nix anderes! Jeder Ölhersteller mischt dir nämlich, wenn Du genug bestellst, genau dein Öl an. Großverbraucher machen das auch so. Und wenn das Basisöl nicht aus Raffinaten zu haben ist, kommt es eben aus dem Synthesekessel. Syntheseöl heisst genau eigentlich nur, das es nicht natürlichen Ursprungs ist. Man kann auch sehr schlechtes Öl synthetisieren!
Das Basisöl macht 60 bis 80% des Motorenöls aus, der Rest sind Additive. Alterungsschutzmittel, Detergentien, Dispergentien, Korrosionsinhibitoren, Metalldeaktivatoren, Oxidationsinhibitoren, Pourpointdepressants, Reibungsminderern, Schaumdämpfern, Verschleißminderern und Viskositätsindexverbesserern. Einige davon werden übrigens nicht synthetisiert, auch nicht bei Vollsyntheseöl! (Marketingsprech meint dann auch nur die Basisöle, wenn von synthetischem Öl die Rede ist!).
So, jetzt kommt der Teil, wo es eklig wird: Die Menge an Motorenölen, die in Autos eingesetzt wird ist so sehr viel größer wie die Menge, die in Motorradmotoren gebraucht wird. Kapitalismus at its Best: Lohnt also nicht, Motorradöl zu machen oder nur gegen teuer. Lohnt aber, z. B. ein wenig mehr Verschleissminderer und Reibungsminderer ins Synthesebasisöl zu kippen und dann 35 € pro Liter zu verlangen. Kippt man das ins Motorrad, mindert es Reibung und Verschleiss gehörig, besonders an der Kupplung. Die funktioniert über Reibung, also Verschleiss. Da gibt man dem Synthetikanteil die Schuld und schon taugt das Zeug nicht für Motorräder. Mittlerweile gibt es ja Motorradöle, auch in Synthetisch. Wenn die dann nicht mit der Kupplung funktionieren, dann sind immer noch die falschen Additive drin.
Ekliger Teil zwei: Oben habe ich die drei Stellen erwähnt, wo Motorradmotoren eigentlich Öle ohne Additive bräuchten. Das erste ist das Getriebe: Ein Dutzend Zahnräder erzeugt an den Zahnflanken Druck von einigen hundert Bar, kurz nur, aber immer und immer wieder. Hinzu kommen die Ränder der Zahnräder, die auf die langen Molekülketten sowohl des Basisöls, wie auch der Polymere (Polyester oder einige andere Poly...) wie Scheren wirken. Die sind bald zerhackt. An zweiter Stelle dann der Primärtrieb: Zahnräder und Kette. Hoher Druck zwischen Kette und Zahnrad und die Schere an den Kettengliedern. Das auch noch bei sehr hoher Geschwindigkeit. Der Nockenwellenantrieb tut auch dazu, nicht ganz so schlimm, aber doch. Die Literleistungen von Motorradmotoren sind verglichen mit Automotoren gigantisch. Das geht nur, wenn man die Reibung im Motor vermindert. Deshalb sind Kolbenringe in Motorradmotoren ziemlich schmal, was aber zur Folge hat, dass der Kolben stärker durch das Motorenöl gekühlt werden muß, meint: Im Bereich der Ringe ist es für das Motoröl wie im Cracker in der Raffinerie. Es wird durch Temperatur und Druck in seine Bestandteile zerlegt.
Und Öl mischen? Abseits von Glaubensfragen? Seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist es eine Forderung der Motorenhersteller! Es durfte auf keinen Fall sein, dass ein Motorschaden auftratt, weil sich die Motorenöle im Motor nicht vertrugen. Motorölhersteller waren damals eher kleine, regionale Firmen, die erst später von den großen Mineralölfirmen gekauft wurden. Die Marktmacht der Motorenhersteller und das Militär haben es erzwungen, das alle Motorenöle gemischt werden können, ohne dass der Motor Schaden nimmt. Die Kupplung gehört übrigens nicht zum Motor. In der Praxis heisst das: Wenn bei der ZZR ein Liter fehlt und es ist nur 20W-40 Syntheseöl da, rein damit. Bis nach Hause passiert nix und dann kann man immer noch wechseln. Immer im Kopf behalten: Kawasaki schreibt Öl mit einer Spezifikation von 1979 vor! Da hatte ein Motorradmotor eine Literleistung von 144 PS und das waren Zweitakter, da kann das Motoröl garnicht schlecht genug sein. Viertakter hatten da so gegen 105 bis 110 PS/l. ZZR 600 mit versicherungskonformen 98 PS: 163 PS/l!
Und nun? Abseits von Glaube, Liebe, Hoffnung? Schiere Hoffnungslosigkeit! Die Physik im Motorradmotor sagt, nach einigen hundert Kilometern ist das Öl sowieso zerhackt. Unterstellt man, dass die Ölhersteller wenigstens bei den aufgedruckten Spezifikationen nicht zu sehr lügen (angesichts der diversen Abgasskandale eine sehr weitgehende Annahme, ich geb 's ja zu) dann sollte auf dem Kanister Jaso MA stehen. (MA2 oder MA3 ist auch OK), Je weniger was von Turbogeeignet und ähnlichem Gedöns da sonst noch draufsteht, desto besser. Reibverbesserer (Marketingsprech: Verschleissmindernd) heisst nur Additive, die auf die Kupplung gehen. Auch so Worte wie Leichtlauföl haben beim Moppedöl nix verloren. So und jetzt kommt es: Für das eingesparte Geld kauft ihr einen zweiten Kanister und halbiert das Wechselintervall. Wer Gleisanschluß im Garten hat, kann sich auch sein eigenes Öl anmischen lassen, ohne die ganzen Additive, die der Autoindustrie Ölwechselintervalle von 10000den Kilometern ermöglichen. Melden bitte, 20 l von den 30 Kubikmetern nehm ich. Und wer schon mal den Eindruck hatte, dass seine Karre nach einem Ölwechsel ruhiger lief, der hat auch recht: Bevor die Häckselmaschine (vulgo: Getriebe) das Öl zur Plörre gehäckselt hat, schmiert es, wie es eigentlich soll. Einige hundert Kilometer lang.
Fehlt eigentlich nur noch eins: Ölwechselintervall bei Rhizinusol nach ca. 30 Minuten Laufzeit. Jede Stunde Motor und Getriebe generalüberholen wg. Verkokung.
Und noch was am Rande: Die Baumarktölfraktion sollte bei ihren Einkäufen auf dem Ölkanister "Erstraffinat" lesen. Steht das da nicht, ist es recyceltes Öl. Muß nicht schlecht sein, kann aber.
Und noch weiter am Rande: Letztens bemerkte jemand, er glaubte nicht was ich schreibe. Recht hat er! Das da oben ist, genauso wenig wie es Prüfprotokolle sind, keine Glaubensfrage! Sondern Physik und Chemie, kann man also messen und kriegt immer die gleichen Ergebnisse. Wer sich keinen Gaschromatographen leisten kann, um zu überprüfen, was ich schreibe, mache nicht mich dafür verantwortlich. Packung Kippen die Woche weniger und schon nach 34 Jahren steht son Teil in der Werkstatt. Wer also nicht an so Sachen wie die Evolution und Quantenmechanik glaubt und die Relativitätstheorie für im Alltagsleben bedeutungslos hält, dafür aber jemanden kennt, bei dem Exfreund seiner Schwester sein Kollege oder dessen Frisör und der fährt sogar Rennen oder so, immer nur mit Superduper GLXCSV von Mediashop o.ä., dem gebe ich Recht. Ohne weitere Diskussion. Einfach so. Glaubensfragen sind ziemlich öde, glaube ich.
So und ganz, ganz weit am Rande: Wer mehr darüber wissen will: Es gibt ein PDF über Schmierstoffe aus 2003, da wird im Detail erklärt, wie Öl und seine Additive funktionieren. Da steht auch drin, was ich oben geschrieben habe, besser und genauer. Ist aber mit Formeln und so. Verschick ich als Mailanhang, wenn es wer will.
HTH
oxtorner